Metalernen – Lernen wie man lernt
Der Sprung ins Studium ist eine große Umstellung. Als Student hat man zwar mehr Gestaltungsfreiheit als in der Schule, doch der Stoffumfang nimmt zu und die Prüfungsformen ändern sich. Ich habe schnell für mich festgestellt, dass die Lernmethoden aus der Schulzeit – also lesen, abschreiben und wiederholen – nicht mehr ausreichen.
Wie kommt man zu neuen Lernmethoden?
Der erste Schritt ist zu wissen auf was für eine Prüfung ihr euch vorbereitet. Ist die Prüfung mündlich oder schriftlich – Freitext oder Multiple Choice? Welcher Stoffumfang wird abgefragt? Wie hoch ist der Schwierigkeitsgrad?
Oft gibt es Gedankenprotokolle oder Erfahrungsberichte aus höheren Semestern. Tauscht euch mit Freunden und Kommilitonen aus, irgendjemand weiß fast immer etwas. Je früher ihr das macht, desto besser. Idealerweise informiert ihr euch gleich zu Beginn des Semesters noch bevor ihr mit dem Lernen startet.
Im zweiten Schritt sucht ihr euch die passende Lernmethode. Gerade am Anfang ist das leichter gesagt als getan. Sprecht auch hier mit euren Kommilitonen und fragt, wie diese für die Prüfung lernen. Dann probiert die Methode selbst aus und entscheidet, ob sie für euch besser funktioniert als die bisherige.
Ein Beispiel: Ich habe früher langsam geschrieben – zu langsam für die großen Stoffmengen im Studium. Eine Kommilitonin nutzte schon im 1. Semester einen Laptop mit Notizprogramm und kam damit exzellent zurecht. Also habe ich mir ein ähnliches Modell gekauft und das Ganze selbst ausprobiert. Es hat für mich Wunder gewirkt.
Die Prämisse bei der Wahl einer Lernmethode lautet: „Ich will nicht recht haben. Ich will immer nur das beste Ergebnis.“1 Das Konzept stammt von dem Rhetoriktrainer Matthias Pöhm. In seinem Vortrag geht es ums Präsentieren, aber man kann das Konzept auf jeden Lebensbereich anwenden. Wenn ihr etwa vor einer Klausur feststellt, dass euer Lernplan nicht funktioniert wie gedacht, dann baut den Plan um und macht ihn passend.
Achtet dabei besonders auf kleine Verbesserungen. Die Summation vieler kleiner Effekte bringt viel mehr, als einer großen Super-Lernmethode hinterherzujagen.
Wenn ich beispielsweise in meinem Notizprogramm ein rot unterstrichenes Wort sehe, will ich den Tippfehler sofort ausbügeln. Eines Tages habe ich die Rechtschreibkorrektur abgeschaltet und verbringe seitdem keine Zeit mehr mit unnötigen Korrekturen. Wenn andere die Texte lesen, dann ist technische Hilfe wieder willkommen. Bei privaten Notizen, die ihr nur für euch selbst macht, darf ein Tippfehler auch mal stehen bleiben. Seid euch nicht zu schade für solche kleinen Optimierungen. In der Summe machen sie einen großen Unterschied.
Auf diese Weise können wir uns Stück für Stück eine Art Werkzeugkasten aus Lerntechniken aufbauen. Mit der Zeit entwickelt ihr ein Gefühl dafür welches Werkzeug wann am besten passt.
Auch jetzt – nach vier Jahren Studium – gehe ich immer noch genau diese Schritte für jede einzelne Prüfung. Fast alle Lerntechniken, die ich in anderen Beiträgen vorstellen werde, sind auf genau diesem Weg zusammengekommen.
Die größten Umstellungen passieren natürlich im ersten Studienjahr. Aber auch später findet man oft noch neue Werkzeuge. Mir persönlich macht es Freude mich auf jedes Fach neu einzulassen und herauszufinden, wie ich diese Nuss am besten knacken kann.
Ihr müsst Metalernen nicht ad extenso betreiben wie ich. Nehmt aber bitte mit, dass kontinuierliche Selbstreflexion eine wertvolle und hilfreiche Fähigkeit ist – sowohl im Studium als auch darüber hinaus.
Auf dem Weg lauern zwei Gefahren: Perfektionismus und Selbstsabotage.
Perfektionismus kennen viele von uns. Auf dem Weg ins Medizinstudium mussten wir in der Schule „perfekt“ sein und Bestnoten erreichen.
Hier die gute Nachricht: In der Vorklinik sind alle Noten – außer die von Physikum und Wahlfach – vollkommen irrelevant. Diese Noten tauchen in keinem Zeugnis auf. Hauptsache ihr habt bestanden – ganz gleich ob mit 60% oder 100%. Ihr müsst nicht immer 110% geben, 70% tun es genauso. Das gilt umso mehr, wenn die nächste Klausur unmittelbar folgt.
Übersteigerte Selbstreflexion führt gekoppelt mit hohen Ansprüchen schnell zu Selbstsabotage. Man geißelt sich gedanklich und macht sich Vorwürfe, warum man schon wieder nicht alles geschafft hat. Man redet sich ein, ein Versager zu sein und glaubt, dass alle andern besser sind… Genau das ist Selbstsabotage.
Ihr seid Gewinner. Ihr seid gut genug. Ihr dürft an einem Tag auch mal nur die Hälfte eures Lernpensums schaffen. Wir sind alle nur Menschen – euren Kommilitonen geht es nicht anders. Geht mit euch so um, wie ihr mit einem guten Freund reden würdet und seid barmherzig zu euch selbst.
Für mich ist Metalernen die zentrale Fähigkeit schlechthin. Darauf baut vieles auf und es entsteht eine eigene Dynamik. Ich hoffe, dass ich euch das Konzept dahinter ein wenig veranschaulichen konnte.
Frédéric
Literaturverzeichnis:
1 Vgl. Pöhm, Matthias: So präsentiert ein Profi, in YouTube, 2016, https://www.youtube.com/watch?v=8O7CusRyWC4 (abgerufen am 22.02.2024).